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24.10.2016

Zwei, die sich blind vertrauen

Renée Mischel kann sich immer auf Blindenführhündin Guinness verlassen

 

Renée Mischel und Labradordame Guinness

VON CHERYL CADAMURO

Guinness, die Labradordame, übernimmt das Sehen für Besitzerin Renée Mischel. (FOTO: PIERRE MATGÉ)

Ob Hindernisse erkennen und umgehen, Treppen auf- und absteigen oder Türen auffinden: Guinness, die Blindenführhündin, erleichtert den Alltag von Renée Mischel auf vielfältige Weise. Der Grund: blindes Vertrauen.

„Devant“, nach vorn also, sagt Renée Mischel und schon marschiert Guinness, ihre Hündin, in die geforderte Richtung. Zielstrebig und ziemlich zügig gehen die beiden geradeaus, Renée hält sich dabei mit der Hand am orangefarbenen Hundegeschirr fest.

Hierbei handelt es sich aber nicht um Frauchen und Hündin beim Gassigehen. Nein, die schwarze Labrador-Hündin verrichtet ihre Arbeit. Denn sie ist ausgebildeter Blindenführhund. Und erleichtert ihrer Besitzerin das Leben um ein Vielfaches. Der Grund: Blindes Vertrauen – und der Wille, das Beste aus dem Leben zu machen.

Kämpfernatur

Renée Mischel ist vollblind. Die 48-Jährige sieht keine Farben und keine Formen mehr. Der Grund: Retinitis Pigmentosa, eine genetisch bedingte Augenerkrankung. „Mir wurde von ärztlicher Seite gesagt, dass meine Art der Erkrankung einzigartig ist. Denn zumeist wird sie vererbt, was bei mir nicht der Fall ist – und wenn, dann auch eher an die männlichen Nachkommen.

Zudem erfolgt die Verschlechterung der Sehkraft schleichend. „Bei mir kam das aber innerhalb weniger Jahre“, erklärt Renée. Mit zwölf Jahren wird das Augenlicht schlechter, mit 18 erblindet sie komplett.

Doch für sie bleibt das Leben nicht stehen. Sie kämpft. „Das Leben ist immer nur so schwer, wie man es sich macht“, sagt sie sich. Zuerst nutzt sie einen Blindenstock zur Orientierung, ein paar Jahre später entscheidet sie sich für einen Blindenführhund. Diese sind aber keine Familienhunde, sondern Arbeitstiere.

Der Weg ist das Ziel

Und die Ausbildung zum Blindenführhund ist komplexer, als man annehmen könnte. Nachdem die Tiere schon als Welpen bei einer seriösen Züchterei ausgesucht werden, kommen sie mit etwa acht Wochen in eine sogenannte Patenfamilie. Hier lernt der Hund Manieren und wird zur Stubenreinheit erzogen.

Die Ausbildung beginnt dann erst im Alter von etwa einem Jahr: Zuerst in einer Blindenführhundschule, dann im Zuhause des zukünftigen Gespanns, wird das Tier auf seine zukünftigen Aufgaben vorbereitet. Die Dauer des Trainings hängt indes von den Bedürfnissen des Besitzers und den Fähigkeiten des Hundes ab – und kann demnach unterschiedlich lang ausfallen.

Die oberste Regel, die für alle Hunde bis zum Schluss ihrer Diensttätigkeiten gilt: Sobald das Führgeschirr angelegt ist, ist der Hund im Dienst. Er ist dann nicht mehr Tier, sondern Hilfsmittel.

Toy und Guinness

Toy heißt der erste Begleithund von Renée Mischel. Neun Jahre lang sind die beiden ein Führgespann. Er zeigt ihr Hindernisse an, führt sie sicher über Straßenübergänge, hilft ihr, Treppen zu steigen. „Er war ein treuer Gefährte, ein richtiges Arbeitstier“, so die fünffache Mutter.

Mit rund zwölf Jahren geht der Labrador in seine wohlverdiente Rente. Er kommt zu einer anderen Familie, wo er ausschließlich Hund ist. Wirklich anhänglich ist der Rüde bei Renée nie geworden. Das soll aber nicht herzlos klingen: „Ich mochte ihn, doch eine enge Bindung ist nie entstanden“, erklärt Renée Mischel.

Als Ersatz kommt später Guinness ins Haus. Und die ist ganz anders als ihr Vorgänger: „Guinness ist extrem anhänglich und sensibel. Einfach ganz anders als Toy. Deswegen würde ich sie nicht mehr abgeben wollen – auch wenn sie irgendwann nicht mehr arbeiten kann und ich einen anderen Hund als Ersatz bekomme. Sie bleibt bei mir bis zum Schluss.“

Ein Jahr lang hat es gedauert, bis Guinness die wichtigsten Alltagswege gelernt hatte und bis Renée sich auf Guinness verlassen konnte. Dazu wurden immer wieder die gleichen Wege eingeübt. Gemeinsam meistern die beiden nun alle Alltagshürden. Ob zur Post, zur Bank, zur Arbeit im „Bieschbecher Atelier“, ob im Zug, im Bus oder zu Fuß – Guinness ist immer mit von der Partie.

Es gab aber eine Zeit, da wusste die 48-Jährige nicht, ob sie den Hund behalten kann. „Guinness war am Anfang extrem unsicher und zeigte beispielsweise Hindernisse an, die keine waren. Doch gemeinsam mit einer Ausbilderin der Blindenführhundschule haben wir daran gearbeitet. Mittlerweile funktioniert die Zusammenarbeit viel besser, ich vertraue meiner Guinness zu 100 Prozent.“

Die Mitarbeiter der Blindenführhundschule schauen regelmäßig bei ihren Kunden vorbei. Dies entweder auf Nachfrage, falls es Probleme mit dem Hund gibt oder zur jährlichen Kontrolle.

Doch warum musste es eigentlich ein Hund sein – ein Blindentaststock tut es doch auch? „Mit einem Hund kann ich mich viel unabhängiger und schneller bewegen, da der Hund ja führt. Zudem verleiht der Hund ein Gefühl der Sicherheit.“ Nachteile, wenn man es so nennen darf, gibt es aber auch: „Ein Blindenführhund benötigt Pflege und Aufmerksamkeit nach seinem Dienst. Den Taststock kann man einfach in eine Ecke schmeißen, mit dem Hund aber muss man noch rausgehen, damit er sich austoben kann. Diese Auszeit ist sehr wichtig für das Tier, und demnach nichts für Sehbehinderte, die ihre Freizeit gerne auf dem Sofa verbringen“, erklärt Renée weiter.

Anträge über Anträge

Doch nicht jeder kann einen Blindenführhund beantragen. Gewisse Grundvoraussetzungen, wie ein Sehvermögen von weniger als 20 Prozent, keinerlei Hörprobleme, sowie ein stabiles soziales Umfeld sind nur einige der Bedingungen, die ein Antragsteller laut der Organisation „Chiens Guides d'Aveugles au Luxembourg“ erfüllen muss. Und der Weg ist umfangreicher, als man annehmen könnte.

Einem Antrag bei der Pflegeversicherung „Assurance dépendance“ und einem weiteren Antrag bei der jeweiligen Blindenführhundschule, in Renées Fall der „Association Chiens Guides de l’Est“, folgen medizinische, psychologische und häusliche Untersuchungen. Ein multidisziplinäres Team entscheidet dann, ob der Antrag gestattet wird. Ein solch gut ausgebildeter Hund kann bis zu 25 000 Euro kosten. Davon übernimmt die Pflegeversicherung 18 000 Euro, den Rest bezahlt die Blindenführhundschule – oft mittels vielen kleinen Spendengeldern.

Und die bedeuten für Menschen wie Renée Mischel vor allem eines: ein besseres Leben.


Was sollten Mitbürger beachten?

Wie kann man einer sehbehinderten Person am besten helfen?

Farben von Straßenampeln, Nummern an Gebäuden oder die Richtungen der Busse können die Hunde nicht erkennen. Bemerkt man beispielsweise, dass eine sehbehinderte Person – egal ob mit Taststock oder Blindenführhund – orientierungslos wirkt, sollte man sie ansprechen und fragen, ob sie Hilfe benötigt.

Folgendes sollten Passanten unterlassen:

Ein Blindenführhund sollte nicht angefasst oder angesprochen werden. Denn das lenkt das Tier ab. Wichtig ist auch, dass Hundebesitzer ihre Vierbeiner zurückhalten. Füttern sollte man einen Blindenführhund auf keinen Fall. Dies rät die Organisation „Chiens Guides d'Aveugles au Luxembourg“.

 

 

 

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Chiens Guides d'Aveugles au Luxembourg   -   www.chienguide.org