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28.10.2009
Télécran 45/2009

Des Blinden treuer Gefährte

Genaue Daten über die Anzahl von blinden und sehbehinderten Menschen in Luxemburg gibt es nicht. Neben dem Blindenstock sind die so genannten Blindenführhunde zu einem wichtigen Hilfsmittel für Blinde und Sehbehinderte geworden. Roland Welters Ziel ist es, diesen Menschen zu einem Vierbeiner zu verhelfen.
  Bild: Kein Auto in Sicht. Sicher geleitet Clochette ihren Herrn über die Straße.
Kein Auto in Sicht. Sicher geleitet Clochette ihren Herrn über die Straße.

„Avant!“ Das kurze französische Kommandowort gibt die Richtung an. Clochette spitzt die Ohren und weiß, was zu tun ist. Brav setzt sich die Schäferhündin in Bewegung. Dicht hinter ihr und sich an einer Art Zaumzeug, das um den Hals des Hundes gespannt ist, festhaltend, folgt Roland Welter. Der stark sehbehinderte Mann ist auf die Dienste seiner Schäferhündin angewiesen. Clochette ist ein Blindenführhund und seit April der ständige Begleiter des 54-jährigen Präsidenten der Chiens Guides d'Aveugles au Luxembourg.

Der Rodinger leidet an Retinitis pigmentosa (RP), einer genetisch bedingten Erkrankung der Augen, die mit einer Degeneration der Netzhaut einhergeht und in vielen Fällen nach Jahren zur völligen Erblindung führt. So weit ist es bei Roland Welter noch nicht. Seine maximale Sehkraft beträgt, gemessen am Sehvermögen eines normal Sehenden, noch rund ein Viertel. „Das Fatale an der Krankheit ist jedoch, dass das Gesichtsfeld mit der Zeit immer stärker eingeschränkt wird“. Während ein gesunder Mensch mit beiden Augen ein Sichtfeld von fast 180 Grad überblicken kann, hat sich dieser Wert bei Roland Welter auf vier Grad reduziert. „Das ist so als wenn man eine Zeitung zusammenrollt und durchschaut“, beschreibt der Rodinger sein tägliches Erleben.

Schleichende Erkrankung.
Mit 24 wird die fortschreitende Krankheit bei Roland Welter diagnosziert. Gewohnt in einer Gesellschaft zu leben, die ihre Stärken zeigt und ihre Schwächen verbirgt, muss er lernen, sich zu seinem gesundheitlichen Makel zu bekennen. Er erhält die Möglichkeit, seine Brötchen als Telefonist zu verdienen, zuerst beim Arbeitsamt selbst und seit 1991 im Centre Hospitalier in Luxemburg. Seit dieser Zeit besucht der Telefonist regelmäßig Schulungen beim Institut pour Déficients Visuels (IDV), wo spät erblindete und sehbehinderte Personen lernen, mit ihrer körperlichen Beeinträchtigung umzugehen.

Doch bis zum Blindenführhund ist der Weg noch weit. Zuerst erfolgt die Gewöhnung an einen so genannten taktilen „Langstock“. Auch Roland Welter kommt nicht daran vorbei. Für ihn die zweite große Überwindung in seinem Leben: „Jeder sieht den Stock, jeder zeigt auf einen. Man zeigt seine größte Schwäche.“ Insgesamt zwei Jahre bahnt sich der Angestellte mit diesem Hilfsmittel jeden Tag den Weg von seinem Wohnort hin zu seiner Arbeitsstelle und wieder zurück. Roland Welter blickt auf damals zurück: „Mir war klar, ich musste etwas tun. Da kam mir die Idee eines Blindenführhundes.“
 
Bild: Blindenführhund Clochette beäugt aufmerksam die nähere Umgebung um ihren Herrn Roland Welter.
Blindenführhund Clochette beäugt aufmerksam die nähere Umgebung um ihren Herrn Roland Welter.

Hund statt Stock. Den ersten Kontakt zu einer Blindenführhundschule erhält der Rodinger, als er am IDV eine junge Frau kennen lernt, die im französischen Limoges das Handwerk einer Blindenführhund-Ausbilderin erlernen will. Kurzerhand richtet Roland Welter 1997 einen Antrag an die Blindenführhundschule in Limoges, ihm einen Hund zuzuweisen. Damit überprüft werden kann, ob ihm ein Blindenführhund deutliche Vorteile gegenüber einem taktilen Langstock bringt, macht sich der Telefonist mit seiner Frau auf den Weg in die rund 600 Kilometer entfernte Stadt an der Vienne. Der Angestellte erinnert sich: „Man stellte mir damals einen Blindenführhund in Ausbildung zur Verfügung, mit dem ich durch Limoges spazieren ging.“ Schnell wird klar: Ein Blindenführhund leistet Roland Welter offensichtlich mehr Hilfe als ein taktiler Langstock.

Wieder zurück in Luxemburg beginnt eine mehrmonatige Wartezeit, bis die Blindenführhundschule in Limoges einen geeigneten Vierbeiner für den Luxemburger gefunden hat. Nach fünf Monaten ist es soweit. Roland Welter reist erneut nach Frankreich. Acht Tage arbeitet er vor Ort mit Orfee, seinem künftigen Blindenführhund, einer Schäferhündin. Mensch und Tier beschnuppern sich, lernen sich kennen, gewöhnen sich aneinander. Anschließend wird der Vierbeiner an seinen künftigen Arbeitsplatz nach Luxemburg überführt. Ein Blindenführhund-Ausbilder aus der französischen Stadt reist mit, um Orfee in der ersten Woche in seiner neuen Umgebung zu trainieren. Die endgültige Übergabe an den neuen Herrn soll schließlich für den Hund möglichst nahtlos erfolgen. Roland Welter bringt das Verhältnis zwischen Mensch und Tier auf den Punkt: „Vertrauen spielt die größte Rolle. Der Hund weiß ganz genau, welche Verantwortung er trägt.“

Gekostet hat ihn die Übergabe des Vierbeiners übrigens keinen Cent. Zu verdanken dem in Europa einmaligen französischen System, das die Ausbildung von Blindenführhunden über Spenden finanziert. „Aus diesem Topf wurden auch die Kosten für Orfee und Clochette abgedeckt“, bilanziert Roland Welter.

Von der Einzigartigkeit der Hundeausbildung in Frankreich, dem einzigen europäischen Land, das die Blindenführhund-Ausbildung als Profession anerkennt, hat der Luxemburger in hohem Maß profitiert. Die Ausbildung der Hunde ist an den zehn französischen Blindenführhundschulen mittlerweile standardisiert. Die für die spätere Aufgabe eines Blindenführhundes in Frage kommenden Welpen werden mit dem dritten Lebensmonat Gastfamilien übergeben, wo sie in das tägliche Leben mit Menschen integriert werden. Die Kriterien für solche Familien sind streng. Der Hund muss schließlich erzogen werden und lernen, auf Kommandos zu hören. Nach zwölf Monaten erfolgt dann die Sterilisierung des Hundes. Wichtig für die späteren Charaktereigenschaften des Tieres. Roland Welter: „Die Hunde dürfen nicht dominant, sondern müssen unterwürfig sein. Sie dürfen keine Angst haben und müssen trotzdem besonnen reagieren können.“

Friedliebend durch und durch. Bis zum 18. Lebensmonat geht es anschließend zur eigentlichen Blindenführhund-Ausbildung in eine der zehn französischen Hundeschulen. Dort erfolgt der letzte Feinschliff. Eine der wichtigsten Eigenschaften eines Blindenführhundes: er beißt nicht. Wehr- und Beutetrieb sind ihm aberzogen worden. „Letztendlich ist jedoch immer das Wesen des Hundes entscheidend“, fasst Roland Welter zusammen. Schäferhunde, Labradors und Golden Retriever sind bei den Hundeschulen die bevorzugten Rassen. Sie bringen die erforderlichen Charaktereigenschaften mit und sind auch von ihrer Größe her geeignet.

Rund zehn Jahre leistet der Hund seinen treuen Dienst am sehbehinderten Herrn. In diesem Zeitraum bleibt er Eigentum der jeweiligen Hundeschule. Der Kontakt zwischen ehemaliger Ausbildungsstätte und dem Tier bleibt ebenfalls erhalten. Mindestens einmal im Jahr bekommt Roland Welter Besuch aus Frankreich. Dann nämlich überzeugt sich ein Ausbilder vor Ort davon, ob Clochette den vielfältigen Anforderungen an einen Blindenführhund gerecht wird.

Die positive Erfahrung mit den Blindenführhundschulen in Frankreich hat Roland Welter vor einigen Jahren auf die Idee gebracht, den luxemburgischen Bedarf an diesen für Sehbehinderte so wichtigen Tieren zu kanalisieren. Seit 2001 gibt es im Großherzogtum die gemeinnützige Gesellschaft der „Chiens Guides d'Aveugles au Luxembourg“. Der Rodinger ist ihr Präsident. „Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, Blinden und Sehbehinderten in Luxemburg zu einem Blindenführhund zu verhelfen“. Zu diesem Zweck hat die Gesellschaft mit der luxemburgischen Pflegeversicherung ein sinnvolles Arrangement treffen können. Denn mittlerweile ist ein Blindenführhund von der Sozialversicherung als technisches Hilfsmittel anerkannt. Dies bedeutet, dass sich die Versicherung an den für einen Hund anfallenden Kosten beteiligt. Sie zahlt für das Nutzungsrecht an einem Blindenführhund an die jeweilige französische Hundeschule einen Pauschalbetrag. Nach Angaben von Roland Welter rund 18.000 Euro für einen Vierbeiner.

Geld, das in den kommenden Jahren auch für Clochette, Roland Welters zweiten Blindenführhund fließen wird. Während er spricht, liegt die Hündin an seiner rechten Seite, den Kopf auf den Boden gedrückt. Ab und zu verrät ein Zucken und die Bewegung der beiden Ohren die ständige Aufmerksamkeit des Tieres. Roland Welter lacht. „Ich kann Clochette so lange vergessen, bis ich sie wieder brauche.“ Der Präsident der Chiens Guides erhebt sich. Einen Augenblick später steht die Hündin ebenfalls und wartet auf das bevorstehende Kommando.
„Avant Clochette!“
KLAUS BRUTSCHER
Fotos: Tom Wagner

 

 

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Chiens Guides d'Aveugles au Luxembourg   -   www.chienguide.org